Roland Stemke
Rechtsanwalt
Tel.: 0831 / 2 69 91
27.03.2025

Zugang einer Kündigung durch Einwurf-Einschreiben


Zugang einer Kündigung durch Einwurf-Einschreiben

1. Allgemeines

Die Kündigung von Arbeitsverhältnissen spielt in Deutschland, und nicht nur dort, eine erhebliche Rolle. Nahezu täglich werden von Arbeitgebern und Arbeitnehmern Arbeitsverhältnisse gekündigt. Es handelt sich daher um ein Massenphänomen. Im folgenden soll im Zusammenhang mit der Frage des Zugangs einer Kündigung durch Einwurf-Einschreiben auch kurz beleuchtet werden, was durch den Ausspruch einer Kündigung im rechtlichen Sinne überhaupt in Gang gesetzt wird.

So weiß zwar vermutlich jeder Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Deutschland, dass man zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses eine Kündigung aussprechen muss, ohne dabei aber im Details zu wissen, was eine Kündigung im rechtlichen Sinne überhaupt ist. Welche Bedingungen müssen erfüllt werden, damit sie überhaupt wirkt? Solange alles gut geht, besteht bei den Beteiligten eher selten ein Bedürfnis, Vorgänge weiter als unbedingt notwendig zu hinterfragen. Eine Notwendigkeit wird meistens erst dann gesehen, wenn etwas schiefgegangen ist

Im rechtlichen Sinne wird unter einer Kündigung eine einseitige, rechtsgestaltende, empfangsbedürftige unwiderrufliche Willenserklärung verstanden. Es sei nicht verhehlt, dass diese Definition ziemlich akademisch klingt. Sie hat sich aber in der Praxis bewährt. Das sei an folgendem Beispiel verdeutlicht:

Arbeitgeber A und Arbeitnehmer B schließen am 01.01.2025 einen Arbeitsvertrag mit einer Probezeit von 6 Monaten. Am 01.04.2025 übergibt Arbeitgeber A dem Arbeitnehmer B am Arbeitsplatz ein Kündigungsschreiben, in welchem drinsteht, dass das Arbeitsverhältnis zum 15.04.2025 gekündigt wird.

Das Kündigungsschreiben stellt eine Erklärung des Arbeitgebers dar. In dieser Erklärung wird der Wille zum Ausdruck gebracht, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich den 15.04.2025 beendet werden soll. Diese Erklärung ist einseitig, denn der Arbeitgeber braucht hierfür keine Zustimmung oder Mitwirkung des Arbeitnehmers. Die Erklärung ist auch rechtsgestaltend, denn sie ist darauf gerichtet, ein mittels Arbeitsvertrag begründetes Arbeitsverhältnis für die Zukunft zu beseitigen. Außerdem ist die Kündigungserklärung empfangsbedürftig. Mit dem Verfassen des Kündigungsschreiben wirkt die Kündigung ja noch nicht. Damit sie wirkt, muss sie dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin zugehen. Das wird unter Empfangsbedürftigkeit verstanden. Und diese Kündigung ist unwiderruflich. Das heißt, sie kann nicht einseitig zurückgenommen werden. Das mag im ersten Moment erstaunlich wirken. Das liegt daran, dass der Ausspruch einer Kündigung an sich als negativ angesehen wird und die Rücknahme daher etwas Positives wäre. Gleichwohl gilt: würde der Arbeitgeber einen Tag nach Zugang der Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer erklären, dass er die Kündigung zurücknimmt, hätte das nicht automatisch zur Folge, dass damit die Kündigung nicht mehr gilt. Vielmehr muss der Arbeitnehmer zustimmen, ansonsten bleibt die Kündigung weiter bestehen. So wäre es nämlich durchaus möglich, dass der Arbeitnehmer diese Kündigung akzeptiert; und dann könnte der Arbeitgeber nicht durch eine einseitige Rücknahme der Kündigung die Wirkung herbeiführen, dass der Arbeitnehmer gleichwohl über den 15.04.2025 hinaus beim Arbeitgeber beschäftigt bleibt. Das gilt umgekehrt für Kündigungen, die der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber ausspricht, in gleicher Weise.

 

2. Bedeutung des Zugangs einer Kündigung

Bei dem oben aufgeführten Beispiel übergab A dem B an dessen Arbeitsplatz ein Kündigungsschreiben. Im rechtlichen Sinne handelt es sich hierbei um die Abgabe einer Willenserklärung unter Anwesenden. Daneben gibt es aber auch die Willenserklärung gegenüber Abwesenden. Hier enthält das BGB in § 130 Abs. 1 BGB eine treffende Regelung. Darin heißt es wie folgt:

„Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht.“

Das BGB regelt ausdrücklich, dass für das Wirksamwerden der Willenserklärung der Zugang beim Adressaten erforderlich ist. In der Praxis gibt es nun die verschiedensten Formen, wie Willenserklärungen zugehen können. Für das Arbeitsverhältnis gibt es aber eine Besonderheit: Danach bedarf wegen § 623 BGB die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Das heißt: mündliche Kündigungen sind unwirksam. Selbst ein dauerhaftes Nichterscheinen am Arbeitsplatz würde nicht dazu führen, dass im rechtlichen Sinne das Arbeitsverhältnis als gekündigt gilt. Und noch etwas ist von Bedeutung: § 623 BGB spricht von Schriftform. Das ist etwas anderes als Textform. Auch das ergibt sich aus dem BGB. So definiert § 126 BGB die Schriftform wie folgt:

„Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden.“

Das heißt, eine Kündigungserklärung mittels E-Mail oder WhatsApp ist rechtswidrig, weil sie nicht dem Schriftformerfordernis genügt, denn es fehlt die eigenhändige Namensunterschrift. Diese Folge ergibt sich aber auch aus § 623 BGB. Darin ist ausdrücklich geregelt, dass die elektronische Form ausgeschlossen ist.

Wenn also für die Wirksamkeit einer Kündigung eines Arbeitsverhältnisses die schriftliche Kündigung erforderlich ist, hat das natürlich Auswirkungen auf den Zugang. Dem Arbeitgeber oder dem Arbeitnehmer muss eine schriftliche Kündigung zugehen, damit sie überhaupt wirksam ist. Das heißt, der Absender muss dafür sorgen, dass die schriftliche Kündigung dem Adressaten zugeht. Bei der Gelegenheit wird noch darauf aufmerksam gemacht, dass der Zugang einer Kündigung nicht nur überhaupt für das Wirksamwerden der Erklärung wichtig ist. Der Zugang ist auch deshalb von Bedeutung, weil die Kündigungsfristen erst ab dem Zugang berechnet werden können. Daher ist es wichtig, dass möglichst genau festgestellt werden kann, zu welchem Zeitpunkt die Kündigung dem Empfänger zugegangen ist. Im obigen Fall wurde die Kündigung dem B einfach übergeben. Damit ist die Kündigung wirksam und der Zeitpunkt des Zugangs bestimmt. Ist der Adressat der Kündigung hingegen abwesend, dann kann der Zugang überhaupt und erst recht der Zeitpunkt des Zugangs zum Problem werden. Wird zum Beispiel eine Kündigung mit einfachen Brief mittels Post verschickt, dann weiß der Versender zwar häufig genau, wann er die Kündigung in den Briefkasten geworfen hat. Hingegen bleibt völlig unklar, ob die Kündigung überhaupt und wann beim Adressaten ankommt. So kann nicht einfach unterstellt werden, dass zwei oder drei Tage nach Einwurf in den Postbriefkasten die Kündigung beim als Empfänger zugegangen gilt. Eine abstrakte Bestimmung des Zugangs einer Kündigung wird von den Gerichten nicht anerkannt. Vielmehr ist für jeden Fall konkret zu ermitteln, ob und wann eine Kündigung tatsächlich zugegangen ist. Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, gilt sie nicht als zugegangen.

 

3. Der Zugang der Kündigung durch Einwurf-Einschreiben

Eine weitere Form der Briefzustellung ist das Einwurf-Einschreiben. Juristisch stellt die Zustellung einer Kündigung durch Einwurf-Einschreiben einen Unterfall des Zugangs einer Willenserklärung unter Abwesenden dar. In seinem Urteil vom 20.06.2024 (Az.: 2 AZR 213/23) schreibt das Bundesarbeitsgericht (BAG) dazu zusammengefasst folgendes:

 

„Eine schriftliche Willenserklärung unter Abwesenden im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB geht zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen, wie ein Briefkasten.“

 

Das heißt, wird ein Schreiben in einen Briefkasten des Adressaten eingeworfen, gelangt es damit in seinen Bereich und ist damit zugegangen. Wie oben schon ausgeführt wurde, spielt aber auch der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, zum Beispiel wegen der Berechnung der Kündigungsfristen, eine Rolle. Und dieser Zeitpunkt ist nicht immer identisch mit dem Zeitpunkt, zu welchem die Kündigung in den Briefkasten eingeworfen wird. Hierzu führt das BAG in der oben zitierten Entscheidung folgendes aus:

 

„Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten des Verkehrs zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten.“

 

So wird bei Hausbriefkästen von der Rechtsprechung angenommen, dass im Allgemeinen mit einer Leerung durch den Empfänger bis zum Abschluss der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen ist, wobei die Postzustellzeiten allerdings durchaus stark variieren können. Daher ist hier zur Bestimmung des Zeitpunkts des Zugangs auf die allgemeinen örtlichen Postzustellungszeiten und Gepflogenheiten abzustellen. Davon hängt es ab, ob die Kündigung am Tag des Einwurfs dem Empfänger zugeht oder erst einen Tag später. Wird zum Beispiel vor Ort üblicherweise bis 16.00 Uhr die Post durch Einwurf in die Hausbriefkästen zugestellt, dann ist es dem Adressaten zumutbar, bis dahin in den Briefkasten zu schauen. Lag hingegen bis 16.00 kein Brief im Briefkasten, zum Beispiel weil wegen eines unvorhergesehenen Ereignisses die Post an diesem Tag ausnahmsweise erst um 19.00 Uhr in den Briefkasten eingeworfen wurde, dann geht die Post erst am nächsten Tag zu, denn der Empfänger des Briefes nicht damit rechnen, dass bei einer derartigen Gepflogenheit der Postzustellung noch um 19.00 Uhr ein Brief in seinen Briefkasten eingeworfen wird.

 

Das Besondere am Einwurf-Einschreiben ist nun, dass sowohl die Einlieferung des Schreibens als auch die Auslieferung durch Belege dokumentiert werden können. Hier ist von der Rechtsprechung, z.B. LAG Nürnberg im Urteil vom 15.06.2023 (Az.: 5 Sa 1/23) anerkannt, dass der ordnungsgemäße Auslieferungsbeleg mit der Unterschrift eines Postbediensteten den Beweis des ersten Anscheins für den Zugang des Schreibens zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten erbringt. Das heißt, kann ein Arbeitgeber solche Belege im Falle eines Kündigungsschutzprozesses vorlegen, spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Kündigung an dem Tag und zu der Zeit dem Adressaten zugegangen ist, der auf dem Auslieferungsbeleg vermerkt wurde. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass das LAG Nürnberg von einem ordnungsgemäßen Auslieferungsbeleg spricht. So entschied das LAG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 16.05.2024 (Az.: 5 Sa 893/23), dass ein Auslieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens keinen Anscheins- beweis begründet, wenn der Auslieferungsbeleg eine falsche Postleitzahl ausweist.

 

4. Typische Einwendungen von Arbeitnehmern

Häufig wird von Arbeitnehmern der Einwand erhoben, das Kündigungsschreiben sei gar nicht oder erst zu einem anderen Tag zugegangen. Alleine dieser Einwand ist nicht geeignet, den Beweis des ersten Anscheins für den Zugang des Schreibens zu erschüttern. Vielmehr muss der Arbeitnehmer konkret vortragen, aufgrund welcher besonderen Umstände der Zugang gar nicht bzw. zu einem anderen Tag als auf dem Auslieferungsbeleg vermerkt, erfolgte. Hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Hierbei gilt, dass selbst Krankheit, zeitweilige Abwesenheit durch Urlaub oder andere Umstände nicht automatisch zu einer anderen Bewertung führen. So führte das BAG in dem oben zitierten Urteil vom 20.06.2024 (Az.: 2 AZR 2013/23) folgendes aus:

„Wenn für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. Ihn trifft die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er dies, wird der Zugang durch solche, alleine in seiner Person liegenden Gründe, nicht ausgeschlossen.“

5. Fazit

Es mag gute Gründe geben, Kündigungen durch Einwurf-Einschreiben zuzustellen. Es bleiben aber Risiken, die alleine durch den Versand entstehen. Das zeigt der vom LAG Berlin-Brandburg entschiedene Fall, wo auf den Auslieferungsbeleg eine falsche Postleitzahl notiert war. Will man also als Arbeitgeber dieses Risiko umgehen, ist es ratsam, Kündigungen entweder direkt zu übergeben oder durch einen Boten zuzustellen.