Roland Stemke
Rechtsanwalt
Tel.: 0831 / 2 69 91
22.02.2022

Tragen von Beerdigungskosten


Wer trägt die Beerdigungskosten?

Jeden Tag sterben in Deutschland tausende von Menschen. Sie sterben in unterschiedlichsten Lebensverhältnissen. Sie hinterlassen Vermögen, zum Teil sind sie aber auch vollständig vermögenslos oder gar stark verschuldet. Sie hinterlassen Abkömmlinge oder zumindest Angehörige oder sterben völlig einsam. Alle diese Menschen müssen beerdigt werden. Grundsätzlich ist die Bestattung eine private Angelegenheit. Sie kann aber auch eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit werden, nämlich dann, wenn keiner da ist, der die Bestattung organsiert. Bestattungen sind nicht preiswert. Das wirft die Frage auf, wer eigentlich die Kosten der Bestattung zu tragen hat? Eine einheitliche Regelung hierfür gibt es nicht. Vielmehr können im Einzelfall verschiedene Rechtsgrundlagen in Frage kommen.

1.  Bestattungspflicht und Kostentragungspflicht

     In seinem Urteil vom 17.11.2011 (Az. III ZR 53/11) unterscheidet der BGH zwischen der Pflicht, für die Bestattung zu sorgen (Totenfürsorge), und der Pflicht zum Tragen der Beerdigungskosten. Dies ist insoweit bemerkenswert, als die Pflicht zum Tragen der Beerdigungskosten nicht identisch ist mit der Pflicht, für die Bestattung sorgen zu müssen. So kann es zwar durchaus sein, dass aus der Pflicht, sich um die Bestattung sorgen zu müssen, auch die Pflicht erwächst, die Bestattungskosten zu tragen. Hingegen führt die Pflicht zum Tragen der Beerdigungskosten nicht automatisch auch zur Pflicht, faktisch für die Beerdigung sorgen zu müssen. So ergibt sich die Pflicht, die Bestattungskosten zu tragen, aus einer Reihe von Einzelvorschriften. Diese Vorschriften sind nicht ohne weiteres kompatibel mit der faktischen Totenfürsorge. Darauf wird weiter unten noch einzugehen sein. Faktisch dürfte es allerdings häufig so sein, dass der Totenfürsorgepflichtige, in der Regel ein naher Angehöriger, die Beerdigung zunächst veranlasst und gegebenenfalls auch vorfinanziert. Anschließend ist zu fragen,  ob er einen Erstattungsanspruch gegen Dritte haben könnte.

    Was bedeutet nun aber "Pflicht zur Bestattung"? In dem oben erwähnten Urteil führt der BGH aus, dass die Pflicht zu Bestattung demjenigen obliegt, der für die Bestattung zu sorgen hat. Dies ist nicht automatisch derjenige, der die Beerdigungskosten aus welchem Rechtsgrund auch immer zu tragen hat. Die Sorge für die Bestattung lässt sich aus zwei Begründungsansätzen ableiten: der eine basiert auf Gewohnheitsrecht. Danach besteht eine bürgerlich-rechtliche Rechtspflicht zur Ausübung der Totenfürsorge. Warum? Vereinfacht ausgedrückt: weil es immer schon so war. Dieser Ansatz wurde auch in den letzten Jahrzehnten von der Rechtsprechung so verfolgt. So liest man zum Beispiel in dem Beschluss des BGH vom 14.12.2011 (Az.: IV ZR 132/11 mit weiteren Nachweisen) folgendes: Die nächsten Angehörigen trifft, wenn und soweit ein erkennbarer Wille des Verstorbenen hinsichtlich seiner Bestattung nicht vorliegt, das Recht und die Pflicht, über den Leichnam zu bestimmen und über die Art der Bestattung sowie die letzte Ruhestätte zu entscheiden. Nun unterliegen auch Bestattungsbräuche gesellschaftlichen Veränderungen. So mögen sich früher die Angehörigen des Verstorbenen viel stärker zur Totenfürsorge persönlich verpflichtet gehalten haben. Dieses in der Bevölkerung verankerte Pflichtgefühl dürfte schon vor Jahren nicht ausgereicht haben, allen Fallgestaltungen im Zusammenhang mit einer Bestattung, ausreichend gerecht zu werden. So hat der Gesetzgeber schon vor Jahren erkannt, dass das Bestattungswesen eine Gesetzesgrundlage braucht, die auch Regelungen zur Totenfürsorge enthält. Daher existieren in allen Bundesländern Bestattungsgesetze. Und diese regeln eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, für die Bestattung zu sorgen. Der BGH hat nicht entschieden, dass nur der eine oder der andere Ansatz gilt. Letztlich wird es von den Umständen des Einzelfalls abhängen, ob man auf eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zurückgreift oder auf Gewohnheitsrecht. Faktisch trifft aber nach beiden Ansätzen grundsätzlich die Angehörigen die Bestattungspflicht. Das bedeutet aber nicht, dass damit der Wille des Verstorbenen unbeachtlich bliebe. Hat der/die Verstorbene selbst in irgendeiner Form einen Willen hinsichtlich der Totenfürsorge geäußert, ist auch dieser Wille zu beachten. Allgemein lässt sich somit sagen, dass sich eine Totenfürsorge faktisch häufig zunächst auf der Basis der konkreten Umstände des Einzelfalls ergibt, zum Beispiel weil man mit bestimmten Angehörigen oder einem Lebenspartner zusammen lebte oder einen sonstigen intensiven persönlichen Kontakt hatte. Strikt davon zu trennen ist aber die Frage, ob damit auch eine Pflicht zum Tragen der Bestattungskosten besteht.

2.  § 1968 BGB - die Erben tragen die Kosten der Beerdigung

     § 1968 BGB regelt, dass der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers zu tragen hat. Wie oben schon ausgeführt wurde, ist die Pflicht für die Bestattung zu sorgen nicht identisch mit der Pflicht zum Tragen der Beerdigungskosten. § 1968 BGB gilt in Bezug auf alle Erbeinsetzungen; das heißt, es macht keinen Unterschied, ob jemand aufgrund Gesetzes oder aufgrund letztwilliger Verfügung, zum Beispiel Testament, Erbe geworden ist. Bei § 1968 BGB handelt es sich auch nicht um eine abschließende Norm. Vielmehr können daneben noch andere gesetzliche Regelungen zur Kostentragungspflicht gelten. § 1968 BGB hat allerdings weitreichende Wirkungen. Er kommt immer dann zum Tragen, wenn es einen Erben gibt, und das ist praktisch regelmäßig der Fall. So reichen die Regelungen zum gesetzlichen Erbe sehr weit. Andererseits korrespondiert die Pflicht des Erben zum Tragen der Beerdigungskosten eng mit der Frage, ob es überhaupt einen werthaltigen Nachlass gibt. Gibt es keinen werthaltigen Nachlass, verliert die Bestimmung eines Erben ganz schnell an Bedeutung.

     In den vermutlich meisten Fällen dürften die vom Erblasser benannten Erben auch zu den Angehörigen gehören. In diesen Fällen dürfte die Totenfürsorge und die Bezahlung der Beerdigung in einer Hand liegen. Es gibt aber Fälle, bei welchem die Erben nicht zu den Angehörigen des Verstorbenen gehören. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Erbschaft an einen Verein oder eine Stiftung gehen soll. Würde hier ein naher Angehöriger die Beerdigung des Verstorbenen durchführen und bezahlen, dürfte es keine Bedenken geben, auf der Basis des § 1968 BGB einen Erstattungsanspruch gegenüber dem begünstigten Verein/Stiftung zu begründen.

3.  Kostentragungspflicht nach Unterhaltsrecht

     Auch das Unterhaltsrecht enthält eine Regelung zum Tragen von Beerdigungskosten. So regelt § 1615 Abs. 1 BGB, dass der Unterhaltsanspruch grundsätzlich mit dem Tod des Berechtigten oder des Verpflichteten erlischt. Stirbt der Berechtigte, hat der Unterhaltsverpflichtete die Kosten der Beerdigung zu tragen, soweit ihre Bezahlung nicht von den Erben zu erlangen ist. In dieser Vorschrift regelt das BGB die Rangfolge derjenigen, die die Beerdigungskosten zu tragen haben. Gibt es einen Erben und ist dieser in der Lage, die Beerdigungskosten zu bezahlen, trifft vorrangig ihn die Pflicht zum Tragen der Beerdigungskosten. Ist dies nicht möglich, trifft die Pflicht den Unterhaltsverpflichteten.

4.  Die Kostentragungspflicht bei unerlaubter Handlung

     Kommt es im Zusammenhang mit einer unerlaubten Handlung, z.B. durch einen schuldhaft verursachten Unfall, zu der Tötung eines Menschen, dann hat gemäß § 844 Abs. 1 BGB der Ersatzpflichtige auch die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, welchem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen.

     An der Formulierung dieser Vorschrift erkennt man eine andere Systematik des Gesetzes. § 844 BGB ist ein Ersatzanspruch. Sind die Voraussetzungen des § 844 BGB erfüllt, dann verpflichtet sie den Ersatzpflichtigen zum Ersatz der Beerdigungskosten gegenüber demjenigen, der unabhängig vom Ersatzpflichtigen zum Tragen der Beerdigungskosten verpflichtet war. Das kann der Erbe sein. Das kann aber auch der totenfürsorgepflichtige Angehörige sein. Hingegen ist ein Ersatzpflichtiger nie zur Totenfürsorge verpflichtet.

5.  Kostentragungspflicht bei Sozialhilfe

     Gemäß § 74 SGB XII trägt der Sozialhilfeträger die Kosten der Beerdigung, wenn den hierzu Verpflichtenden das Tragen der Kosten nicht zugemutet werden kann.

6.  Kostentragungspflicht nach Seerecht

     Gemäß § 75 SGB XII trägt die für die Bestattung eines Crewmitgliedes außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes die Rederei die Kosten.

7.  Kostentragung durch die öffentliche Hand aufgrund von Gefahrenabwehr

     In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass die öffentliche Hand vorab für die Bestattung zu sorgen hat. In diesen Fällen wird die Behörde nicht etwa aus Fürsorge, sondern in erster Linie aus Gründen der Gefahrenabwehr tätig. Eine zentrale Aufgabe des Staates ist die Abwendung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Dazu zählt auch der Schutz vor Gesundheitsgefahren. Kommen z.B. Angehörige des Verstorbenen ihrer Beerdigungspflicht nicht nach, zum Beispiel weil sie zunächst gar nicht bekannt sind, und veranlasst daher der Staat die Bestattung, stellt dies eine Ersatzvornahme dar, die dem Staat einen unmittelbaren Erstattungsanspruch der dadurch verursachten Kosten gegenüber dem Verpflichteten gibt. Dies sind üblicherweise die Angehörigen im Sinne Bestattungsgesetze der Bundesländer.

8.  Erstattungsansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag

     In der Praxis kommt es häufiger vor, dass die Bestattungskosten zunächst von einer Personen getragen wird, obwohl die Totenfürsorgepflicht sie gar nicht oder nur zum Teil trifft. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Angehöriger, der mit dem Verstorbenen am engsten verbunden war, zunächst die Beerdigung organisiert und auch bezahlt. Zu denken ist an den Fall, dass es mehrere Kinder gibt, die Mutter oder der Vater eng verbunden aber nur mit einem Kind lebten. Trägt nun in dieses Kind die Beerdigungskosten zunächst allein, dann stellt sich die Frage, ob nicht auch die Geschwister an den Kosten zu beteiligen sind. Ein anderer Beispielsfall ist, dass der nichteheliche Lebenspartner zunächst die Bestattungskosten trägt, es aber noch leibliche Kinder des Verstorbenen gibt. In allen diesen und vergleichbaren Fällen stellt sich konkret die Frage, inwieweit ein Erstattungsanspruch gegenüber anderen Angehörigen bestehen könnte. Anspruchsgrundlage hierfür wären die §§ 677 ff. BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag). Danach kann gemäß § 683 Satz 1 BGB der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz für seine Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprechen.

     Das BGB verwendet hier eine Fachsprache. In der Praxis stellt sich die Frage, wer konkret Geschäftsherr ist. In seinem Urteil vom 17.11.2011 (Az.: III ZR 53/11) entschied der BGH, dass Geschäftsherr grundsätzlich nicht derjenige ist, der die Beerdigungskosten zu tragen hat, z.B. der Erbe (§ 1968 BGB), sondern derjenige, dem es obliegt, für die Bestattung des Verstorbenen zu sorgen. Dies bestimmt sich grundsätzlich nach den Bestattungsgesetzen der Länder. So ist zum Beispiel in der Bayerischen Bestattungsverordnung geregelt, dass bestattungspflichtig die Angehörigen sind. Folgt man der Auflistung in § 1 der Bayerischen Bestattungsverordnung, wird an erster Stelle der Ehegatte oder Lebenspartner genannt, dann die Kinder, dann die Eltern, Großeltern, Enkelkinder, Geschwister etc.. Ob man daraus auch zwingend eine Hierarchie ableiten kann, dürfte im Einzelfall strittig sein. Das heißt, wird von einem Dritten (= Geschäftsführer) die Bestattung organisiert und bezahlt, dann erfüllt der Geschäftsführer für den Geschäftsherrn eine gesetzliche Pflicht. Die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht entspricht regelmäßig dem Interesse und wohl auch dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn. Im Übrigen dürfte regelmäßig auch die Vorschrift des § 679 BGB erfüllt sein, denn durch die Bestattung erfüllt der Angehörige ein Geschäft, dessen Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt. In diesem Fall kommt es auch nicht darauf an, dass der Geschäftsherr, also der zur Bestattung Verpflichtete, einen entgegenstehenden Willen hat. Es gibt allerdings Grenzen. So können Umstände vorliegen, die aus Sicht eines billig und gerecht denkenden Beobachters eine Kostentragung schlechthin unzumutbar sind. So lag dem Beschluss des BGH vom 14.12.2011 (Az: IV ZR 132/11) der Fall zugrunde, dass der vermögenslos Verstorbene eine Tochter aus erster Ehe hatte, mit der er nie Kontakt gepflegt hatte und die ihren biologischen Vater auch überhaupt nicht kannte. Vielmehr hatte er zur Zeit seines Todes nur Kontakt zu seinem Bruder. Der BGH lehnte in diesem Fall eine Inanspruchnahme der Tochter ab. Die Tochter hatte das Erbe ausgeschlagen, weshalb § 1968 BGB rechtlich nicht zur Anwendung kam. Letztlich blieb eine Totenfürsorgepflicht nach dem landesrechtlichen Bestattungsrecht. Dieses kennt als bestattungspflichtige Angehörige sowohl die leiblichen Abkömmlinge, als auch die Geschwister. Und hier leitete der BGH die Pflicht zum alleinigen Tragen der Beerdigungskosten durch den Bruder daraus ab, dass nach den Umständen des Einzelfalls der Erblasser seinen Willen zum Ausdruck gebracht hatte, dass vor allem sein Bruder für die Bestattung zu sorgen habe. Ein anderer Fall lag einer Entscheidung des LG Bonn vom 02.07.2009 (Az.: 8 S 122/09) zugrunde. Die nichteheliche Lebensgefährtin hatte die Beerdigung für ihren verstorbenen Lebenspartner organisiert und bezahlt und verlangte danach von den leiblichen Kindern aus einer früheren Ehe/Beziehung die Beteiligung an den Beerdigungskosten. Das LG Bonn sah nicht nur eine anteilige sondern sogar eine 100 %-Pflicht der Kinder zum Tragen der Beerdigungskosten als gegeben, weil diese Angehörige im Sinne des Bestattungsgesetzes von NRW sind und als solche für die Beerdigung zu sorgen haben. Dass die Familienverhältnisse zerrüttet waren, ließ das Landgericht nicht gelten. Die Lebensgefährtin des Verstorbenen sah das Gericht nicht als Lebenspartnerin im Sinne des Bestattungsgesetz von NRW. Lebenspartner/-in sollte nach dem Verständnis des Gerichts nur ein Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftgesetz sein. Dazu zählt die Lebensgefährtin nicht. Im Ergebnis dürfte die Entscheidung aufgrund der Umstände des Einzelfalls richtig gewesen sein. Es lassen sich in dieser Konstellation allerdings Lebensverhältnisse annehmen, bei denen das Ergebnis falsch wäre. Angenommen der Verstorbene hätte wie beim obigen Fall des BGH (Az.: IV ZR 132/11) seine Kinder gar nicht gekannt und zum Beispiel viele Jahre mit seiner Lebensgefährtin zusammengelebt. In diesem Fall müsste man wohl zum gleichen Ergebnis kommen wie der BGH, nämlich dass der Wille des Verstorbenen die Lebensgefährtin in der Totenfürsorge gesehen hätte.