Roland Stemke
Rechtsanwalt
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07.12.2023

Gemeinschaftliches Testament und Berliner Testament


Gemeinschaftliches Testament und Berliner Testament

1. Einleitung

Das Berliner Testament ist im rechtlichen Sinne ein Unterfall des gemeinschaftlichen Testaments. Aus diesem Grund gelten alle Ausführungen zum gemeinschaftlichen Testament uneingeschränkt auch für das Berliner Testament. Von juristischen Laien werden nicht selten beide Begriffe synonym verstanden. Aus diesem Grund befassen sich die nachfolgenden Ausführungen zunächst mit dem Testament im Allgemeinen, dann mit dem gemeinschaftlichen Testament und abschließend mit den Besonderheiten des sogenannten Berliner Testamentes.

Verstirbt ein Mensch und regelt er bezüglich seines Nachlasses nichts, tritt gesetzliche Erbfolge ein. Da der Gesetzgeber die gesetzliche Erbfolge nicht zwingend vorschreibt, stellt sie, vereinfacht ausgedrückt, nur eine Empfehlung dar, mit der allerdings in einer Vielzahl von Erbfällen zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden können. Unabhängig von der gesetzlichen Erbfolge lässt das BGB zu, dass der Erblasser durch einseitige Verfügung von Todes wegen - so der juristische Oberbegriff - selber die Erben bestimmen kann. Die bekannteste Form der Verfügung von Todes wegen ist das Testament. Hierbei wird unterschieden zwischen dem Einzeltestament und dem gemeinschaftlichen Testament. Beide Arten des Testamentes weisen eine Menge Gemeinsamkeiten auf, unterscheiden sich aber in manchen Punkten grundlegend.

2. Das Einzeltestament

Wie oben schon ausgeführt wurde, ist ein wesentlicher Zweck der Testamentserrichtung die Bestimmung der Erben. Gemäß § 2229 BGB kann schon ein Minderjähriger ein Testament errichten, sobald er das sechszehnte Lebensjahr vollendet hat. Die Errichtung kann gemäß § 2231 BGB entweder zur Niederschrift eines Notars erfolgen oder durch eine vom Erblasser nach § 2247 BGB abgegebene Erklärung. Es handelt sich hierbei wohl um die gängigste Form eines Testamentes. Danach kann ein Einzeltestament gemäß § 2247 BGB nur durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichtet werden. Dabei soll der Erblasser in der Erklärung auch angeben, zu welcher Zeit und an welchem Ort er die Erklärung niedergeschrieben hat. Das heißt, es ist unzulässig, ein Testament maschinell oder mittels Computer zu erstellen. Die Eigenhändigkeit kann auch nicht durch die Niederschrift eines Dritten ersetzt werden. Wird ein Testament nicht so erstellt, wie es das Gesetz vorschreibt, ist es nichtig. Das ergibt sich aus § 125 BGB, wonach ein Rechtsgeschäft nichtig ist, wenn es nicht die vom Gesetz vorgeschriebene Form aufweist.

3. Das gemeinschaftliche Testament

Das BGB kennt aber auch das gemeinschaftliche Testament. In Bezug auf das gemeinschaftliche Testament gelten grundsätzlich die gleichen Regeln wie für das Einzeltestament. Es gibt aber signifikante Unterschiede.

Geregelt ist das gemeinschaftliche Testament in § 2265 BGB. Darin heißt es wörtlich wie folgt:

"Ein gemeinschaftliches Testament kann nur von Ehegatten errichtet werden."

Auch wenn die Bezeichnung "gemeinschaftliches Testament" etwas anderes suggeriert, nämlich, dass mehrere Personen ein einheitliches Testament errichten, gewährt das BGB ein solches Recht gerade nicht für alle. Vielmehr ist ein gemeinschaftliches Testament im Sinne des BGB nur Ehegatten vorbehalten. Andere Personen, wie z.B. Verlobte, Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft etc. können kein gemeinschaftliches Testament im Sinne des BGB errichten. Sie können allenfalls zwei getrennte Einzeltestamente errichten, die durchaus den gleichen Inhalt haben können oder gleich einen Erbvertrag (§§ 2274 ff. BGB) abschließen. Gleichwohl ist damit keineswegs sicher gestellt, dass dadurch die gleichen Wirkungen erzielt werden, wie bei einem gemeinschaftlichen Testament. Darauf wird noch nachfolgend einzugehen sein.

Gemäß § 2267 BGB wird ein gemeinschaftliches Testament dadurch errichtet, wenn einer der Ehegatten ein Testament in der Form des § 2247 BGB - also nach den Regeln des Einzeltestaments - errichtet und der andere Ehegatte die gemeinschaftliche Erklärung eigenhändig mit unterzeichnet. Der mitunterzeichnende Ehegatte sollte hierbei angeben, zu welcher Zeit und an welchem Ort er seine Unterschrift beigefügt hat.

Was Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament regeln, ist ihnen selbst überlassen. Inhaltlich macht der Gesetzgeber dazu keine Vorgaben. Von großer praktischer Bedeutung ist die gegenseitige Einsetzung zum (Allein-) Erben. Es handelt sich hierbei um eine Regelung dahin, dass beim Tod des Erstversterbende der überlebende Ehegatte dessen Erbe wird. Nicht selten wird in diesem Zusammenhang auch festgelegt, dass nach dem Tod des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten - in sehr vielen Fällen die eigenen Kinder - fallen soll. Für das Vorliegen eines gemeinschaftlichen Testamentes ist dies allerdings nicht zwingend notwendig erforderlich. Die Ehegatten müssen sich in einem gemeinschaftlichen Testament weder wechselseitig zu Erben einsetzen, noch müssen sie regeln, wer nach dem Tod des Überlebenden erben soll. Der letzte Punkt ist aber bedeutsam für das Vorliegen eines sogenannten Berliner Testaments.

4. Berliner Testament

Wie oben schon ausgeführt wurde, ist das Berliner Testament ein Unterfall des gemeinschaftlichen Testamentes und wird heute im Grunde nur noch als Erbeinsetzung gemäß § 2269 BGB verstanden. Darin heißt es wie folgt:

"Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament, durch das sie sich gegenseitig als Erben einsetzen, bestimmt, dass nach dem Tod des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Dritte für den gesamten Nachlass als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt ist."

Diese im besten Juristendeutsch formulierte Gesetzesvorschrift wird sofort verständlicher, wenn man den Hauptwendungsfall für das sogenannte Berliner Testament heranzieht. Der häufigste Anwendungsfall für ein Berliner Testament ist der, dass sich Ehegatten zunächst gegenseitig als Alleinerben einsetzen und ihre leiblichen Kinder nach dem Ableben des Überlebenden als Schlusserben. Liest man nun § 2269 Abs. 1 BGB bedeutet das, dass nach dem Tod des einen Ehegatten und Elternteils zunächst der überlebende Ehegatte und Elternteil den Nachlass des Verstorbenen erbt und erst nach dem Tod des Überlebenden der dann vorhandene Nachlass an das Kind oder die Kinder fallen soll.

5. Die Vorschrift § 2270 BGB: wechselbezügliche Verfügung

Von großer Bedeutung bei einem gemeinsamen Testament ist die in § 2270 BGB geregelte Wechselbezüglichkeit. Es handelt sich hierbei um eine Verfügung des einen, die nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Das sei an folgendem Beispielsfall verdeutlicht:

Ein Ehepaar ist in zweiter Ehe miteinander verheiratet. Jeder der Ehepartner hat ein Kind aus erster Ehe. Hier könnten die Ehepartner in einem gemeinschaftlichen Testament folgendes regeln:

"Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des Letztversterbenden soll der Nachlass an die beiden Kinder fallen."

Durch eine solche Verfügung würde geregelt, dass beim Tode des Längerlebenden auch das Kind des Erstversterbenden aus dessen erster Ehe Erbe wird. Hier erschließt sich ohne Weiteres, dass die Erbeinsetzung des Kindes aus der ersten Ehe des anderen Ehepartners nur deshalb erfolgt, weil dieser Ehepartner das eigene Kind aus erster Ehe ebenfalls zum Erben einsetzt. Es handelt sich hier nur um ein Beispiel. Es gibt jede Menge anderer Anwendungsfälle.

An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht alle Regelungen in einem gemeinschaftlichen Testament automatisch wechselbezüglich sind. Vielmehr ist für jede einzelne Regelung zu klären, ob es sich um eine Verfügung handelt, die nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre.

Das wirft die Frage auf, warum das Thema Wechselbezüglichkeit so wichtig ist. Dies hängt damit zusammen, dass ab dem Tod der Erstversterbenden für wechselbezügliche Verfügungen eine Bindungswirkung eintritt. Grundsätzlich kann jedes Testament, egal ob Einzel- oder Gemeinschaftstestament zu Lebzeiten geändert werden. Das heißt, auch Regelungen in einem gemeinschaftlichen Testament und damit auch wechselbezügliche Verfügungen können zu Lebzeiten geändert werden. Man muss allerdings unterscheiden, ob die Änderungen einvernehmlich oder einseitig vorgenommen werden. So kann ein gemeinschaftliches Testament durchaus einvernehmlich mit dem anderen Ehegatten zerrissen werden, wodurch es ungültig wird. Fehlt hingegen die Zustimmung, dann allerdings kann eine wechselbezügliche Verfügung einseitig nur nach den Regeln des § 2271 Abs. 1 BGB widerrufen werden. Hierbei ist - weil gesetzlich vorgeschrieben - die Form des § 2296 BGB zu beachten. Nach § 2296 Abs. 2 BGB kann der Widerruf nur durch eine notariell beurkundete Erklärung gegenüber dem anderen Ehegatten erklärt werden. Dieses Recht zum Widerruf erlischt aber gemäß § 2271 Abs. 2 BGB mit dem Tod des erstversterbenden Ehegatten. Ab diesem Zeitpunkt gilt die wechselbezügliche Verfügung bis zum Tod des überlebenden Ehegatten fort. Auch dies sei anhand des obigen Beispiels verdeutlicht.

Mit dem Tod des Erstversterbenden kann dessen Kind aus erster Ehe nicht mehr enterbt werden. Die Lebenserfahrung zeigt aber, dass der überlebende Ehegatte zu dem Kind des Erstversterbenden nur zu Lebzeiten des Ehepartners ein Verhältnis hat. Verstirbt nun der Ehepartner, führt dies nicht selten dazu, dass der Kontakt zu dem Kind aus dessen erster Ehe danach abkühlt und abbricht. Dies führt nicht selten dazu, dass damit auch die ursprüngliche Bereitschaft, dem Kind des verstorbenen Ehegatten aus erster Ehe erbrechtlich etwas zukommen lassen zu wollen, auch abkühlt. Stattdessen würde man nun lieber erbrechtlich alles dem eigenen Kind zukommen zu lassen. Genau das geht nicht. Aufgrund der Bindungswirkung kann das Kind aus erster Ehe des Erstversterbenden nicht mehr enterbt werden. Dies wird durch die Regelung in den §§ 2270 und 2271 BGB ausgeschlossen.

Oben wurde schon ausgeführt, dass die Regelungen über das gemeinschaftliche Testament nur für die Ehegatten gelten, nicht aber für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Faktisch könnte auch bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft die gleiche Situation bestehen. Jeder der Partner hat noch ein Kind aus einer früheren Beziehung. Wenn beide Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft jeweils ein inhaltsgleiches Testament errichten, in welchem sie sich beide als Alleinerben einsetzen und zum Schlusserben beide Kinder aus den früheren Beziehungen, würde beim Tod des einen Partners keine Wechselbezüglichkeit eintreten. Der überlebende Partner könnte nach dem Tod durch ein weiteres Einzeltestament die Erbeinsetzung nach freiem Gutdünken ändern. Allein an diesem Beispiel kann man gut erkennen, wie wichtig es ist, die Möglichkeiten und auch Folgen zu kennen, die das im BGB geregelte Erbrecht gibt, den eigenen Nachlass zu regeln.