1. EU-rechtlicher Arbeitnehmerstatus eines Geschäftsführers
Mit Urteil vom 11.11.2010 (Az.: C-232/09) entschied der Europäische Gerichtshof über den Arbeitnehmerstatus einer lettischen schwangeren Geschäftsführerin. Es kam dabei zu dem Ergebnis, dass ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das dieser gegenüber Leistungen erbringt und in sie eingegliedert ist, Arbeitnehmer im EU-rechtlichen Sinne ist, wenn das Organ seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält.
Nach Ansicht des EuGH kommt es nicht darauf an, wie das Beschäftigungsverhältnis nach nationalem Recht geregelt ist. Insbesondere hielt er die formale Einstufung als Selbständiger genauso wenig für relevant als den Umstand, dass es um das Mitglied einer Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft ging. EU-rechtlich liegt ein Arbeitsverhältnis vor, wenn eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisungen Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Aus diesem Grund erfüllt auch ein Mitglied einer Unternehmensleistung, das gegen Entgelt Leistungen gegenüber der Gesellschaft bringt, die es bestellt hat und in die es eingegliedert ist, dass seine Tätigkeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und das jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden kann, dem ersten Anschein nach die Voraussetzung, um als Arbeitnehmer im EU-rechtlichen Sinne zu gelten.
2. Auswirkungen für das Deutsche Recht
Das Urteil erging zwar zum lettischen Gesellschaftsrecht. Bemerkenswert an dem Fall ist aber, dass die Klägerin kapitalmäßig nicht an der Gesellschaft beteiligt ist. Sie vertrat zwar die Gesellschaft, hatte einen befristeten Vertrag und übte durchaus Leitungstätigkeiten aus. Sie war aber gegenüber dem Aufsichtsrat rechenschaftspflichtig und musste mit diesem zusammenarbeiten und konnte auch von diesem ohne besonderen eigenen Einfluss abberufen werden.
Derartige Rechtsverhältnisse gibt es auch im deutschen Recht. Der Fremdgeschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung an der GmbH ist hier geradezu idealtypisch. Das heißt, ein derartiger Fremdgeschäftsführer ist nach Europäischem Recht Arbeitnehmer.
3. Die Rechtsstellung des Fremdgeschäftsführers im Deutschen Recht
Gemäß Urteil des Bundessozialgerichts vom 18.12.2001 (Az.: B 12 KR 10/01 R) ist der Geschäftsführer einer GmbH, der am Stammkapital nicht beteiligt ist, grundsätzlich abhängiger Beschäftigter der GmbH und sozialversicherungspflichtig. Es hat eine Sozialversicherungspflicht nur bei Vorliegen besonderer Umstände verneint, z.B. bei Geschäftsführern, die mit der Gesellschaft familiär verbunden waren und die Geschäfte faktisch wie Alleininhaber nach eigenem Gutdünken führten und allgemein kann man sagen, dass immer dann ein Fremdgeschäftsführer kein sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer ist, wenn er in der GmbH schalten und walten kann, das Sagen hat, Kopf und Seele ist und dies von der Gesellschafterversammlung geduldet wird. Von Bedeutung ist auch, ob der Geschäftsführer eigenes Kapital und ggf. eigene Arbeit mit dem Risiko des Verlustes (unentgeltliche Arbeit) ansetzt, damit das Unternehmerrisiko selbst zumindest mitträgt (so Landessozialgericht Niedersachen-Bremen, Urteil vom 24.01.2007, Az.: -L 2 R 35/06).
Anders sieht es arbeitsrechtlich aus. Gemäß § 5 Abs. 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) gelten als Arbeitnehmer die Personen nicht, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrages als Vertretungsorgan zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Gemäß § 14 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gilt auch für sie das Kündigungsschutzgesetz nicht. Gleichwohl hat die Rechtssprechung die entsprechende Anwendung arbeitsrechtlicher Grundsätze im Einzelfall vorgenommen, um zu gerechten Urteilen zu kommen.
4. Auswirkungen des Urteils auf Fremdgeschäftsführer nach Deutschem Recht
So ist der Fremdgeschäftsführer Verbraucher im Sinne des § 13 BGB. Schließt er als Verbraucher Verträge mit einem Unternehmer, gilt gemäß § 310 BGB eine AGB-Kontrolle für alle Geschäftsbedingungen, die vom Unternehmer gestellt werden. Das bedeutet, dass Dienstverträge mit einem Fremdgeschäftsführer praktisch uneingeschränkt der AGB-Kontrolle unterliegen (vgl. BAG Urteil vom 19.05.2000, Az.: AZR 253/00). Des weiteren dürfte das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz uneingeschränkt gelten, aber auch der gesamte Mutterschutz. Gemäß § 5 ArbGG sind die Arbeitsgerichte sachlich nicht zuständig, es sei denn, dies wird vertraglich vereinbart. Es stellt sich hier die Frage, ob nicht nach dem Urteil des EuGH Rechtsstreitigkeiten zwischen Fremdgeschäftsführern und den Gesellschaftern generell vor dem Arbeitsgericht verhandelt werden sollten.