Roland Stemke
Rechtsanwalt
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22.02.2019

Ausschlussfristenregelung im Arbeitsvertrag


Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Klausel über die Ausschlussfrist

Viele mittelständige Arbeitgeber verwenden über Jahre ein und dasselbe Arbeitsvertragsformular. Dabei wird nicht selten übersehen, dass inzwischen einzelne Vertragsklauseln nicht mehr ganz auf der Höhe der Rechtslage sind oder von der Rechtsprechung inzwischen sogar für rechtswidrig erklärt wurden. Bei einer arbeitsvertraglichen Regelung über die Geltung über Ausschlussfristen kann eine solche Nachlässigkeit zum Teil erhebliche finanzielle Folgen haben.

So findet man häufig in Arbeitsverträgen folgende Regelung über Ausschlussfristen:

"Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind."

Diese Klausel erklärte das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 18.09.2019 (Az.: IX AZR 162/18) für unwirksam, weil diese Klausel auch den Mindestlohn erfasst hätte, was nach dem Mindestlohngesetz rechtswidrig wäre. Der Fall ging von Hamburg aus und betraf finanziell eigentlich einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Im Prozess kam es dann aber auf die Frage an, ob der Anspruch wegen Ablaufs der Ausschlussfrist nicht verfallen sein könnte. Faktisch ging es also gar nicht um die Bezahlung von Mindestlohn. Gleichwohl spielte das Mindestlohngesetz eine Rolle. Nach § 3 Mindestlohngesetz (MiLoG) sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam. Wird nun in einem Arbeitsvertrag geregelt, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden, dann erfasst eine solche Vertragsklausel auch Ansprüche auf Mindestlohn. Damit liegt an sich eine Beschränkung der Geltendmachung des Mindestlohns vor, weshalb eine solche Vereinbarung wegen § 3 MiLoG unwirksam wäre.

Das BAG entschied nun in seinem Urteil vom 18.09.2018, dass die gesamte Vertragsklausel unwirksam ist, weil sie eben die Ansprüche auf Mindestlohn nicht ausdrücklich ausgenommen hat. Das BAG begründet seine Entscheidung u.a. damit, dass diese arbeitsvertragliche Klausel gegen das Transparenzgebot verstößt. Das Transparenzgebot ist in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelt und muss vom Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen beachtet werden. Eine arbeitsvertragliche Regelung über Ausschlussfristen ist eine allgemeine Geschäftsbedingung. Danach verpflichtet das Transparenzgebot den Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen dazu, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners klar und verständlich darzustellen. Gerade Ausschlussfristen haben weitreichende Rechtsfolgen für den Vertragspartner, weil sie die unabhängig davon geltenden allgemeinen Verjährungsfristen faktisch erheblich verkürzen. Aus diesem Grund muss gerade im Hinblick auf diese Rechtsfolgen für den Vertragspartner ersichtlich sein, was er zu tun hat, um den Eintritt dieser Rechtsfolgen zu verhindern. Wird eine Vertragsklausel dem Transparenzgebot nicht gerecht, benachteiligt sie den Vertragspartner unangemessen, weil er möglicherweise wegen der Formulierung der Vertragsklausel abgehalten wurde, seine bestehenden Rechte durchzusetzen. Dabei kommt es für die Geltung der Klausel nicht darauf an, dass im konkreten Arbeitsverhältnis mehr als der Mindestlohn gezahlt wird. Für die Rechtmäßigkeit einer Vertragsklausel ist nicht entscheidend, ob im Einzelfall die Vertragsklausel gesetzeskonform angewendet worden wäre. Vielmehr ist die Vertragsklausel unter Berücksichtigung der Gesetzeslage bei Vertragsschluss anhand eines abstrakt generellen Prüfungsmaßstabes auszulegen. Gemessen an diesem Auslegungsmaßstab ist einer arbeitsvertraglichen Klausel über Ausschlussfristen, die alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst, nicht zu entnehmen, dass Ansprüche auf den Mindestlohn dadurch nicht erfasst werden sollen.

Diese Auslegung von Verfallsklauseln gilt nach dem Urteil des BAG für alle Arbeitsverträge, die nach dem 31.12.2014 geschlossen wurden. Hingegen gilt diese Rechtsprechung des BAG nicht für Ausschlussfristenregelungen, die vor dem 01.01.2015 abgeschlossen wurden.

Was bedeutet das für die arbeitsrechtliche Praxis? Sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber lohnt sich zwingend ein Blick in den Arbeitsvertrag. Dabei ist allen Arbeitgebern zu raten, für zukünftige Arbeitsverträge die entsprechende Klausel zu ändern.