1. Allgemeines
Bei einem Werkvertrag schuldet der Werkunternehmer eine Werkleistung. Diese Leistung besteht in der Erbringung eines Werkes. Häufig wird aber dieses Werk nicht außerhalb des Vermögens/der Rechtsgüter des Bestellers erbracht, sondern im Gegenteil in sehr engen Zusammenhang mit diesem. Wird zum Beispiel die Eindeckung eines Daches in Auftrag gegeben, werden die Arbeiten regelmäßig im und auf dem Haus des Bestellers erbracht. Wird nun die vom Unternehmer geschuldete Werkleistung mangelhaft erbracht, kann dies dazu führen, dass das Werk selber, zum Beispiel das Dach, fehlerhaft ist. Dann liegt nur ein mangelhaftes Werk vor. Es können aber auch daneben Schäden an dem sonstigen Vermögen des Besteller entstehen. So kann es sein, dass beim Dachdecken das Dach so fehlerhaft gedeckt wird, dass Wasser in das Gebäude eintreten kann und dadurch Schäden am restlichen Gebäude verursacht werden. Dann liegt ein mangelhaftes Werk (= das undichte Dach) und ein Schaden am sonstigen Vermögen des Bestellers vor. Es ist aber auch denkbar, dass das Werk selber mangelfrei ist und nur Schäden am sonstigen Vermögen des Bestellers entstehen. So kann es passieren, dass bei Durchführung der Dachdeckerarbeiten eine nicht zum Dach gehörige Fensterscheibe zerstört wird. Das alles löst Ansprüche beim Besteller aus, die aber juristisch unterschiedlich zu behandeln sind.
Ist das Werk selber mangelhaft, hat der Besteller in Bezug auf das Werk einen verschuldensunabhängigen Gewährleistungsanspruch. Des weiteren hat er zunächst nur einen Nacherfüllungsanspruch gem. § 634 Nr.1 BGB. Wurde der Werkmangel zusätzlich schuldhaft verursacht, dann hat der Besteller auch einen Schadensersatzanspruch, den er als Schadensersatz statt der Leistung geltend machen kann. Erlitt der Besteller zudem neben dem Werkmangel noch Schäden an seinem sonstigen Vermögen/seinen sonstigen Rechtsgütern, dann hat er auch noch einen Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung. Zu beachten ist allerdings, dass der Besteller nur dann einen Schadensersatzanspruch gegen den Unternehmer hat, wenn dieser schuldhaft pflichtwidrig handelte.
Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass der Übergang zwischen einem Werkmangel und Schäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers fließend ist. Daher wurde in der Vergangenheit immer wieder die Frage gestellt, inwieweit der Besteller auch für weitergehende Schäden zunächst einmal nur einen Anspruch auf Nacherfüllung hat. Praktische Konsequenz hatte das immer dann, wenn seitens des Bestellers gegen den Werkunternehmer gleich ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht wurde, ohne diesem vorher einen Frist für eine Nacherfüllung zu setzen. Früher arbeitete die Rechtsprechung bei einer solchen Problematik mit dem Begriff des engen und weiten Mangelfolgeschadens. In seinem Urteil vom 07.02.2019 (Az.: VII ZR 63/18) gibt der BGH diese Rechtsprechung auf und setzt sich stattdessen grundlegend mit Abgrenzung zwischen dem Nacherfüllungsanspruch und dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung auseinander. Bei der Gelegenheit grenzt der BGH auch den Schadensersatzanspruch neben der Leistung vom Schadensersatzanspruch statt der Leistung ab. Diese Abgrenzung ist deshalb praktisch bedeutsam, weil es für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs neben der Leistung nicht notwendig ist, dem Werkunternehmer eine Nacherfüllungsfrist zu setzen. Vielmehr kann ein Schadensersatzanspruch neben der Leistung unabhängig davon gleich ab Schadenseintritt eigenständig verfolgt werden.
2. Sachverhalt
Gegeben war folgender Fall: Die Klägerin beauftragte den Beklagten, eine Kfz-Werkstatt, mit der Wartung ihres Kraftfahrzeuges der Marke Volvo V 70. Im Zuge der Wartungsarbeiten tauschte der Beklagte u.a. die Keilrippenriemen, den Riemenspanner und den Zahnriemen für die Motorsteuerung aus. Ein Monat später traten erhebliche Probleme mit der Lenkung auf. Die Klägerin ließ das Fahrzeug in eine andere Werkstatt abschleppen, weil der Beklagte zu dieser Zeit Betriebsferien hatte. Nach dem Vortrag der Klägerin im Prozess soll sich in dieser Werkstatt dann herausgestellt haben, dass der Beklagte den Keilrippenriemen nicht richtig gespannt hatte. Der aus diesem Grund gerissene Riemen habe sich um die Welle und das Gehäuse der Lichtmaschine gewickelt und diese beschädigt. Überreste des Riemens hätten sich um die Riemenscheibe der Servolenkungspumpe gewickelt mit der Folge, dass die Riemenscheibe gebrochen und die Dichtung der Servolenkungspumpe beschädigt worden sei. Zudem seien Teile des Riemens in den Riementrieb des Zahnriemens gelangt. Die Klägerin ließ daraufhin den Keilrippenriemen, den Riemenspanner, den Zahnriemen, die Servolenkungspumpe und die Lichtmaschine ersetzen. Anschließend verlangte sie Schadensersatz von dem Beklagten ohne ihm vorher eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen.
3. Rechtliche Beurteilung des BGH
Der BGH ging nun bei seiner Beurteilung davon aus, dass der Beklagte im Rahmen der Wartung des Kraftfahrzeugs den Keilrippenriemen nicht richtig gespannt hatte und es deshalb zu Schäden an der Lichtmaschine, der Servolenkungspumpe, den Zahnriemen sowie den Keilrippenriemen und den Riemenspanner kam. Damit erfüllte der Beklagte unstreitig den Wartungsvertrag schlecht. Nach Auffassung des BGH beinhaltet ein Wartungsvertrag über ein Kraftfahrzeug regelmäßig dessen Überprüfung auf Funktions- und Verkehrstüchtigkeit im vereinbarten Umfang und damit insbesondere auch die Aufdeckung etwaiger Schäden der zu überprüfenden Bereiche. Auch der Austausch von Verschleißteilen kann davon umfasst sein. Hingegen würde schon die Reparatur von im Rahmen der Wartung aufgedeckten Schäden nicht mehr zum Leistungsumfang eines Wartungsvertrages gehören. Eine solcher Reparatur wäre vielmehr erst bei einer entsprechenden Vereinbarung durchzuführen.
Ein Wartungsvertrag über ein Kraftfahrzeug ist ein Werkvertrag. Wird dieser mangelhaft erfüllt, steht dem Besteller gemäß § 634 Nr. 1 BGB zunächst ein Anspruch auf Nacherfüllung zu. Die Nacherfüllung erfasst danach die Beseitigung der Mängel des geschuldeten Werks, die auf einer im Zeitpunkt der Abnahme vorhandenen vertragswidrigen Beschaffenheit des Werkes beruhen. Dies wäre im vorliegenden Fall im Wesentlichen das richtige Spannen eines intakten Keilrippenriemens gewesen.
Im vorliegenden Fall war nun allerdings streitig, inwieweit die weiteren von der Klägerin in Auftrag gegebenen Schadensbeseitigungsarbeiten ebenfalls vom Nacherfüllungsanspruch erfasst worden sind. Anders ausgedrückt, hätte die Klägerin vor Erteilung eines Reparaturauftrags an die von ihr beauftragte Werkstatt nicht stattdessen den Beklagten auffordern müssen, sämtliche eingetretenen Mängel und Beschädigungen an ihrem Fahrzeug zu beseitigen und ggf. hierfür dem Beklagten auch noch eine Frist zu setzen?
Der BGH hat dieser Ansicht eine Absage erteilt. Er hat stattdessen diesen Fall zum Anlass genommen, eine grundlegende Unterscheidung zwischen einem Schadensersatzanspruch neben der Leistung und einem Schadensersatzanspruch statt der Leistung vorzunehmen. Inzidenter grenzte er dabei - was noch viel wichtiger ist - auch den Nacherfüllungsanspruch vom Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung ab. Hierbei führt der BGH unter anderem aus, dass mit einem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß §§ 634 Nr. 4 BGB, 280 Abs. 1 BGB Ersatz für Schäden verlangt werden kann, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind und durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht beseitigt werden können. Hiervon erfasst werden insbesondere mangelbedingte Folgeschäden, die an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder dessen Vermögen eintreten. Voraussetzung für einen Schadensersatz ist aber regelmäßig ein Verschulden des Werkunternehmers. Allein der Werkmangel stellt noch kein Verschulden dar. Er löst zwar einen Nacherfüllungsanspruch aus, aber nicht schon ohne weiteres auch einen Schadensersatzanspruch. Vielmehr muss eine schuldhafte Pflichtverletzung des Werkunternehmers gegeben sein. Im vom BGH entschiedenen Fall war ein Keilrippenriemen nicht richtig gespannt worden. Auch wenn das Urteil keine Ausführungen dazu enthält, ist davon auszugehen, dass dieser Fehler dadurch entstand, weil bei der Ausführung der Arbeit die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde. Das heißt, der Mangel wurde fahrlässig verursacht. Damit liegt Verschulden vor und es besteht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch.
Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, wie der Nacherfüllungsanspruch vom Schadensersatzanspruch abzugrenzen ist. Der BGH löst diese Frage über das Vertragsrecht. Danach ist zunächst zu klären, welchen Inhalt der Werkvertrag hatte. Die geschuldete Werkleistung ist dabei im Wege der Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Die Nacherfüllung erfasst danach die Beseitigung der Mängel des geschuldeten Werks, die auf einer im Zeitpunkt der Abnahme vorhandenen vertragswidrigen Beschaffenheit beruhen. Alle weiteren Schäden stellen Folgeschäden dar und können als Schadensersatzanspruch neben der Leistung verlangt werden. Die Beseitigung dieser Schäden sind nicht von einem Nacherfüllungsanspruch des Bestellers erfasst, weshalb sie auch geltend gemacht werden können, ohne dass vorher dem Unternehmer eine Frist für eine Nacherfüllung gesetzt wurde.
Die gleichen Fragen stellen sich, wenn ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung geltend gemacht wird. Ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung kommt dann in Frage, wenn schon die mangelhafte Werkleistung auf einer Pflichtverletzung des Werkunternehmers beruht. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Werkunternehmer aufgrund von Fahrlässigkeit seine Werkleistung mangelhaft ausführt. Der Schadensersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB tritt in diesem Fall an die Stelle der geschuldeten Werkleistung und erfasst damit das Leistungsinteresse des Bestellers. In diesem Fall hat allerdings der Besteller dem Werkunternehmer eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen. Die Nacherfüllung erfasst danach die Beseitigung der Mängel des geschuldeten Werkes. Der Inhalt des geschuldeten Werkes ist wiederum im Wege der Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.
4. Relevanz für die Praxis
In der Praxis hat der Besteller zwar gefühlt nur eine (wenn auch komplexe) Beeinträchtigung. Juristisch hingegen muss man die Beeinträchtigung aufteilen in den eigentlichen Werkmangel und sonstige Schäden. Beide Ansprüche werden unterschiedlich behandelt. Bezüglich des Werkmangels hat der Besteller zunächst nur den Nacherfüllungsanspruch, und zwar unabhängig davon, ob der Werkmangel schuldhaft oder schuldlos verursacht wurde. Diesen muss er unter Fristsetzung geltend machen. Für den Mangelfolgeschaden hingegen gilt das nicht. Liegt eine schuldhafte Verursachung vor, kann der Besteller unabhängig vom Nacherfüllungsanspruch einen Schadensersatzanspruch geltend machen.