Roland Stemke
Rechtsanwalt
Tel.: 0831 / 2 69 91
29.06.2018

Handwerker und Widerrufsrecht


Man hört in der anwaltlichen Praxis gelegentlich von Handwerkern den Seufzer: "Früher galt noch ein Wort". Damit bringen sie zum Ausdruck, dass man sich als Handwerker auf mündliche Abspra-chen mit Kunden heutzutage nicht mehr verlassen kann. Es darf bezweifelt werden, dass man sich früher mehr auf das Wort eines Kunden verlassen konnte. Das eigentliche Problem besteht aber wohl darin, dass bei mündlichen Absprachen sehr häufig Beweisprobleme auftreten. So kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass ein Handwerker eine bestimmte mündliche Absprache mit dem Kunden behauptet, der Kunde diese Absprache aber bestreitet. Dann muss der Handwerker die Absprache beweisen, was sehr häufig misslingt, wenn es für die Absprache keine Zeugen gibt. Handwerker schließen in aller Regel Werkverträge ab. Will er also die oben geschilderten Beweis-probleme vermeiden, ist er gut beraten, auf mündliche Absprachen weitestgehend zu verzichten und stattdessen schriftliche Verträge abzuschließen. Dass dies zu einem Verwaltungsmehraufwand führt, liegt auf der Hand. Die Nachteile aus dem Verzicht überwiegen allerdings deutlich. Die aktuel-le Rechtslage verschärft dieses Problem noch. Mit einer schriftlichen Vereinbarung ist es nämlich inzwischen allein auch nicht mehr getan. Ist der Vertragspartner nämlich Verbraucher, treffen den Handwerker weitere Pflichten. Die wichtigste Pflicht hierbei ist die Informierung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht.

1. Verbraucherbauvertrag

Mit Wirkung ab 01.01.2018 wurde der Verbraucherbauvertrag ins BGB (§§ 650 i - 650n BGB) einge-fügt. Die Regelungen gelten im Verhältnis zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Sie finden aber nach § 650 i Abs. 1 BGB nur für die Verträge Anwendung, durch die der Unterneh-mer zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem beste-henden Gebäude verpflichtet wird. Dieser Gesetzeswortlaut wird in Zukunft ganz sicher noch die Gerichte beschäftigten. Sie werden sich mit der Frage beschäftigen müssen, was überhaupt ein neues Gebäude ist und was erhebliche Umbaumaßnahmen sind. Insbesondere die erheblichen Umbaumaßnahmen werden dann von Instandhaltungsarbeiten abzugrenzen sein. Liegt ein Ver-braucherbauvertrag vor, so steht dem Verbraucher gem. § 650 l BGB ein Widerrufsrecht zu. Und über dieses Widerrufsrecht muss der Werkunternehmer den Verbraucher nach Maßgabe von Arti-kel 240 § 3 Einführungsgesetz zum BGB belehren. Tut er das nicht und übt der Verbraucher fristge-mäß sein Widerrufsrecht aus, könnte es unter bestimmten Umständen passieren, dass der Werkunternehmer für von ihm erbrachte Leistungen keinerlei Vergütung erhält.

2. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge

Viele Handwerker erbringen in ihrem Tagesgeschäft für Verbraucher Instandhaltungsarbeiten. Sie schließen also gerade keine Verbraucherbauverträge ab. So werden zum Beispiel Schreiner, Dach-decker, Elektriker oder auch Heizungsunternehmen sehr häufig zur Durchführung von Instandhal-tungsarbeiten für private Hauseigentümer tätig. Der private Hauseigentümer ist Verbraucher. Aus diesem Grund sind unter bestimmten Umständen Verbraucherrechte zu beachten. Von zentraler Bedeutung ist hierbei insbesondere § 312 g Abs. 1 BGB. Dieser lautet wie folgt: Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Was sind außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge? Die umfassende gesetzliche Definition findet man in § 312 b BGB. Es würde zu weit führen, die gesamte Vorschrift an dieser Stelle zu erläutern. Eine für den Alltag wesentliche Orientierungshilfe gibt aber § 312 b Abs. 2 Satz 1 BGB. Darin heißt es wie folgt: "Geschäftsräume sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt." Jeder Handwerker betreibt sein Ge-schäft von irgend einem Sitz aus. Dort hat er in der Regel sein Büro, seine Werkstatt und sein Lager. Werden nun Verträge mit Verbrauchern in diesen Geschäftsräumen geschlossen, liegt kein Vertrag nach § 312 g BGB vor. § 312 g BGB betrifft nur Verträge, die außerhalb von solchen Geschäftsräu-men geschlossen werden. Und diese Verträge kommen bei Handwerken sehr häufig vor, vermut-lich häufiger als Verträge in ihren eigenen Geschäftsräumen. Ein typischer Anwendungsfall ist, dass ein Kunde anruft und dem Handwerker irgendeinen Instandhaltungsbedarf an seinem Haus schil-dert. Damit sich der Handwerker ein Bild machen kann, fährt er zum Kunden und schaut sich die Situation vor Ort an. Kommt es nun beim Kunden zum Vertragsschluss, ist dies grundsätzlich ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag. Der Vertrag wurde ja nicht in den Ge-schäftsräumen des Handwerkers geschlossen. Es gibt zwar eine Ausnahmevorschrift in § 312g Abs. 2 Nr. 11 BGB. Danach besteht kein Widerrufsrecht bei Verträgen, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- und In-standhaltungsarbeiten vorzunehmen. Von Bedeutung ist hier das Wort "dringend". Dringend sind Reparaturarbeiten nur dann, wenn sie zur sofortigen Wiederherstellung der Funktionstauglichkeit erforderlich sind und der Verbraucher darauf angewiesen ist. Zu nennen wäre hier ein Wasser-rohrbruch. Das bedeutet umgekehrt, für jeden Reparaturauftrag, der nicht dringend ist, hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht. § 312 g Abs. 2 Nr. 11 BGB regelt noch eine weitere Einschränkung. Selbst wenn der Unternehmer vom Verbraucher für einen dringenden Reparaturauftrag zum Kommen aufgefordert wurde, so besteht für weitere bei dem Besuch erbrachte Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, ebenfalls ein Widerrufsrecht. Wird zum Bei-spiel ein Dachdecker vom Verbraucher gebeten, das durch einen Sturm an einer Stelle beschädigte Dach zu reparieren, und kommt man dann vor Ort überein, dass Dach nicht nur an der beschädigten Stelle zu reparieren sondern darüber hinaus neu zu decken, dann hat der Verbraucher hinsichtlich dieser Arbeiten ein Widerrufsrecht.

3. Folgen des Widerrufs

Der Handwerker muss den Verbraucher über das Widerrufsrecht belehren. Hierfür stellt das Ge-setz sogar ein Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 zu Artikel 246 a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zum BGB zur Verfügung. Der Handwerker kann auch eigenständig eine schrift-liche Widerrufsbelehrung vornehmen. Davon ist aber abzuraten. Die Gefahr, dass die Widerrufsbe-lehrung unvollständig oder gar falsch ist, ist zu groß. Nur ein richtige Widerrufsbelehrung setzt die Widerrufsfrist in Gang. Gem. § 355 Abs. 2 BGB beginnt die Widerrufsfrist mit dem Vertragsschluss und beträgt grundsätzlich 14 Tage. Gem. § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB erlischt das Widerrufsrecht spä-testens 12 Monate und 14 Tage nach dem Vertragsschluss.
Was bedeutet das für den Handwerker? Informiert er den Verbraucher falsch oder gar nicht, dann beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen. Erbringt nun der Handwerker gleichwohl seine Vertrags-leistungen, dann läuft er Gefahr, dass der Verbraucher nach Vollendung der Arbeiten den Vertrag widerruft. In aller Regel ist zu diesem Zeitpunkt die Frist von 12 Monaten und 14 Tagen noch nicht abgelaufen. Grundsätzlich führt die Erklärung des Widerrufs dazu, dass gemäß § 357 Abs. 1 BGB die Leistungen zurückzugewähren sind. Dies ist unproblematisch bei beweglichen Teilen. Problema-tisch wird es hingegen, wenn die Leistungen des Handwerkers im Haus des Verbrauchers einge-baut wurden und somit wesentlicher Bestandteil des Hauses wurden. In aller Regel können die Einbauten dann nicht ohne Zerstörung oder Wesensveränderung von dem Haus wieder getrennt werden. Des weiteren geht mit dem Einbau das Eigentum an den eingebauten Sachen auf den Hauseigentümer über. Hier gibt es keine Rückgewähr der erbrachten Leistungen. Dem Handwer-ker würde in diesem Fall nur ein Anspruch auf Wertersatz helfen. Den sieht das BGB beim Widerruf nicht vor. Das heißt, der Handwerker läuft Gefahr, viel Geld zu verlieren. So entschied das LG Stutt-gart im Urteil vom 02.06.2016 (Az.: 23 O 47/16), dass ein Dachdecker, der ein Dach gedeckt hatte und dafür vom Kunden unter anderem eine Zahlung in Höhe von € 36.656,30 erhalten hatte, diesen Betrag an den Verbraucher zurückzuzahlen hatte. Hingegen sah das Landgericht weder eine Rechtsgrundlage dafür, dass der Dachdecker Wertersatz für das verbaute Dach erhält, noch dass er berichtigt ist, dass Dach zu demontieren.

4. Empfehlung

Es wird daher allen Handwerksunternehmen, die Verträge mit Verbrauchern schließen, dringend empfohlen, die vom Gesetz geforderte Widerrufsbelehrung vorzunehmen. Um keinen Fehler zu machen, sollte das im BGB erwähnte Muster-Widerrufsformular verwendet werden. Gegebenen-falls sollte das Handwerksunternehmen anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Das kostet zwar Geld, ist aber immer noch erheblich billiger, als einen Vergütungsanspruch wegen falscher oder unterlassener Widerrufsbelehrung zu verlieren.