Roland Stemke
Rechtsanwalt
Tel.: 0831 / 2 69 91
14.07.2017

Gefährliche Änderungskündigung


Bei Arbeitgebern, die an mehreren Standorten Betriebe betreiben, stellt sich in der Praxis immer wieder die Frage, inwieweit Beschäftigte, die in dem einen Betrieb tätig sind, auch in einem Betrieben eingesetzt werden können, der sich an einem anderen Standort befindet. Betreibt z.B. eine Supermarktkette Filialen in Sonthofen, Oberstdorf, Immenstadt oder Kempten, dann wäre es für den Arbeitgeber sehr sinnvoll, wenn er seine Mitarbeiter an verschiedenen Standorten einsetzen könnte. Wie ist hier die Rechtslage?

Nach § 106 Satz 1 GewO darf der Arbeitgeber unter anderem den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, es sei denn, der Arbeitsort wird durch einen Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung, einen anwendbaren Tarifvertrag oder durch gesetzliche Vorschriften festgelegt. In der Praxis gibt es solche Festlegungen häufig nicht. Dann darf der Arbeitgeber kraft seines aus § 106 GewO abgeleiteten Direktionsrechts den Arbeitnehmer in einer anderen Filiale, Dienststelle oder Betrieb einsetzen. Er muss allerdings seine Entscheidung nach billigem Ermessen treffen. Was billigem Ermessen entspricht, ist unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und des in vergleichbaren Fällen üblichen, im Zeitpunkt der Ausübung der Bestimmung festzustellen. So wird im Normalfall eine Versetzung von einer Filiale in Kaufbeuren in eine Filiale in Hamburg nicht mehr billigem Ermessen entsprechen.

Nun kann es aber passieren, dass ein Arbeitgeber, statt dem Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsplatz an einem anderen Ort zuzuweisen, eine Änderungskündigung ausspricht. Unter einer Änderungskündigung versteht man, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen anbietet. Der Arbeitnehmer wiederum kann das Angebot des Arbeitgebers, nämlich zu geänderten Arbeitsbedingungen zu arbeiten, unter Vorbehalt annehmen. Er kann es aber auch ablehnen und stattdessen eine Kündigungsschutzklage erheben. Genau dies kann für einen Arbeitgeber teuer werden. Das BAG entschied in seinem Urteil vom 22.09.2016 (Az.: 2 AZR 509/15), - im Übrigen nicht zum ersten Mal - dass eine Änderungskündigung wegen der mit ihr verbundenen Bestandsgefährdung unverhältnismäßig ist, wenn die erstrebte Änderung der Beschäftigungsbedingungen auch durch Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO möglich ist.

Dieses Urteil mag einem Arbeitgeber vielleicht im ersten Moment nicht einleuchten, da es doch faktisch keinen Unterschied macht, ob man einem Arbeitnehmer von Haus aus an einem anderen Arbeitsort einen Arbeitsplatz zuweist oder ihm diesen im Rahmen einer Änderungskündigung anbietet. Das Urteil erklärt sich aus der Logik des Kündigungsschutzgesetzes. Danach kommt eine Kündigung nur dann in Frage, wenn der Beschäftigungsbedarf am alten Arbeitsplatz, und zwar für den gekündigten Arbeitnehmer, weggefallen ist. Von einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs kann aber nicht gesprochen werden, wenn mittels einfacher Ausübung des Direktionsrechts ein anderer Arbeitsplatz angeboten werden kann. Denn die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz, wenn auch an einem anderen Arbeitsort, zuweisen zu können, führt dazu, dass der Beschäftigungsbedarf nicht weggefallen ist.