Roland Stemke
Rechtsanwalt
Tel.: 0831 / 2 69 91
29.08.2017

Die Mängelhaftung beim Werkvertrag


1. Allgemeines
Wer eine Immobilie sein eigen nennt, benötigt im Laufe der Zeit üblicherweise irgendwann einmal einen (Bau-) Handwerker. Irgendetwas geht kaputt und muss repariert oder erneuert werden. Oder es steht gleich ein ganzer Umbau an. Gründe für die Beauftragung von Hand-werkern gibt es jedenfalls viele. Rechtlich wird dann mit dem Handwerker ein Werkvertrag geschlossen, aufgrund dessen der Handwerker zur Herstellung eines bestimmten Werkes verpflichtet wird. Erbringt der Handwerker bzw. Werkunternehmer seine Arbeit fehlerfrei, ist der Auftraggeber bzw. Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Weist hingegen das Werk Fehler auf, können die daraus resultierenden Folgen zum Teil gravierend sein. Dies führt zu der Frage, welche Rechte ein Besteller bzw. Auftraggeber in diesem Fall gegen den Werkunternehmer hat.

2. Die Rechte des Bestellers bei Mängeln
Die Rechte des Bestellers bei Mängeln sind in § 634 BGB geregelt. Ist ein Werk mangelhaft, kann der Besteller folgendes verlangen:

1. Die Nacherfüllung ( § 635 BGB ).

2. Er kann den Mangel selber beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen
verlangen ( § 637 BGB ).

3. Er kann vom Vertrag zurücktreten ( §§ 636, 323, 326 Abs. 5 BGB ) oder mindern
( § 638 BGB ).

4. Er kann Schadensersatz ( §§ 636, 208, 281, 283 und 311a BGB ) oder Ersatz von
vergeblichen Aufwendungen ( § 284 BGB ) verlangen.

Diese Rechte stehen in einem Stufenverhältnis. Das bedeutet, dass der Besteller nicht alle oben aufgeführten Rechte parallel verlangen kann. Vielmehr hat er nach § 635 BGB zunächst nur einen Anspruch auf Nacherfüllung. Erst wenn dieser Anspruch nicht zu einer Vertragserfül-lung führt, hat der Besteller die nachfolgenden Rechte. Dies ist auch sachgerecht. Ein Hand-werker, der eine mangelhafte Werkleistung erbringt, sollte zunächst einmal den Mangel selber beseitigen.

3. Zeitliche Abfolge
Hierbei stellt sich allerdings die Frage, ab welchem Zeitpunkt der Besteller diese Rechte hat. In der Praxis ist es ja so, dass die Erbringung der Werkleistung Zeit erfordert. Nicht selten entsteht ein Streit zwischen Besteller und Werkunternehmer über die Qualität der Arbeit schon während der Erbringung der Werkleistung. Aus diesem Grund ist die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Besteller welche Rechte hat, nicht ganz unwichtig. In seinem Urteil vom 19.01.2017 (Az.: VII ZR 235/15) entschied der BGH, dass der Besteller seine Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach der Abnahme des Werkes mit Erfolg geltend machen kann. Unter Abnahme versteht die herrschende Meinung die körperliche Entgegennahme des vertragsmä-ßig hergestellten Werkes verbunden mit der Billigung des Werkes als in der Hauptsache ver-tragsgemäß. Was bedeutet das in der Praxis?

Grundsätzlich ist ein Werk bis zur Abnahme im rechtlichen Sinne noch nicht fertig. Damit es überhaupt abgenommen werden kann, setzt dies voraus, dass der Werkunternehmer in ir-gendeiner Form gegenüber dem Besteller zum Ausdruck bringt, dass das konkrete Werk als vertragsgemäß ansieht und der Besteller dies deshalb bitte nun ebenfalls als vertragsgemäß abnehmen möge. Hierbei können nun zwei Situationen auftreten:
Der Besteller erkennt bei der Abnahme keine Fehler und bringt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck, dass er das Werk so als vertragsgemäß billigt. Treten dann anschließend Fehler auf, kann er die in § 634 BGB aufgeführten Gewährleistungsrechte geltend machen.

Es kann aber auch sein, dass der Besteller schon vor oder auch bei der Abnahme Mängel feststellt und diese gegenüber dem Werkunternehmer rügt. Lehnt er nun die Abnahme ab, liegt im Falle tatsächlich bestehender Mängel im rechtlichen Sinne keine Abnahme vor. Dies hat zur Folge, dass der Besteller nicht die in § 634 BGB geregelten Gewährleistungsrechte geltend machen kann. Heißt das nun, dass der Besteller keine Rechte mehr hat? Nein, das heißt es nicht. Der Besteller wird nicht rechtlos, nur weil keine Abnahme erfolgt ist. Vielmehr behält er in diesem Fall nach wie vor den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aus dem Werkvertrag. Denn bis zu einer wirksamen Abnahme ist der Werkvertrag definitiv nicht erfüllt. Und solange ein Werkvertrag nicht erfüllt ist, kann seine Erfüllung weiterhin verlangt werden.

4. Ansprüche bei Erfüllungsverweigerung durch den Werkunternehmer
Dem mit Urteil vom 19.01.2017 entschiedenen Fall lag nun der Sachverhalt zugrunde, dass auf der einen Seite zwischen den Parteien strittig war, ob überhaupt eine Abnahme stattgefunden hat. Andererseits aber lehnte der Werkunternehmer die Durchführung weiterer Arbeiten definitiv ab. Daraufhin erklärte der Besteller unter anderem die Minderung der Wer-klohnvergütung und verlangte im Rahmen dessen die Rückzahlung einer geleisteten Ab-schlagszahlung. Damit machte der Besteller eigentlich ein Gewährleistungsrecht nach § 634 Nr. 3 BGB iVm § 638 BGB geltend. Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH hatte der Be-steller ein solches Gewährleistungsrecht grundsätzlich aber erst nach der Abnahme. Hatte der Besteller bei der Geltendmachung seiner Rechte einen Fehler gemacht? Nein, hat er nicht. In seinem Grundsatzurteil vom 19.01.2017 modifiziert der BGH seine Rechtsprechung zugunsten des Bestellers. Danach kann der Besteller berechtigt sein, auch ohne Abnahme Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 - 4 BGB geltend zu machen. Dies gilt allerdings nur, wenn der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis somit in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Ein solcher Fall ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Werkunternehmer den Besteller das Werk als fertiggestellt zur Abnahme anbietet und im Übrigen jegliche weitere Tätigkeit ablehnt und damit die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. In einem solchen Fall ist der Besteller nicht mehr darauf angewiesen, gleichwohl weiterhin eine Vertragserfüllung zu verlangen. Vielmehr ist er in diesem Fall berechtigt, Schadensersatz statt der Leistung in Form des Kleinschadensersatzes geltend zu machen oder die Minderung zu erklärten.

5. Fazit
Was bedeutet das für den Häuslebauer zwischen Lindau, Memmingen, Marktoberdorf, Kauf-beuren, Füssen, Pfronten, Nesselwang, Oberstdorf, Sonthofen, Immenstadt und Kempten? Gerät er schon während der Vertragsausführung mit dem Werkunternehmer in Streit, sollte er umgehend den Anwalt seines Vertrauens aufsuchen, damit er die richtigen Rechte geltend macht.